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Dreizehn Orgel-CDs liegen von Josef Still vor. Die meisten wurden im Trierer Dom aufgenommen; eine ist zusammen mit SWR-Solotrompeter Thomas Hammes entstanden und eine weitere mit NDR-Soloposaunist Stefan Geiger.
Musik für die kleine Königin
Josef Still an der Balthasar-König-Orgel Niederehe, 1715
Jan Pieterszoon Sweelinck
1562-1621
Liedvariationen „Mein junges Leben hat ein End“
Girolamo Frescobaldi
1583-1643
aus „Fiori musicali 1635“:
- Canzon dopo l’Epistola (1. Messe)
- Toccata per l’Elevatione (2. Messe)
- Toccata (3. Messe)
John Stanley
1713-1786
Voluntary IV e-Moll op. 5
Johann Ludwig Krebs
1713-1780
aus: Clavier Übung:
Praeambulum, Fughetta, Choral supra
Allein Gott in der Höh sei Ehr
Johann Gottfried Walther
1684-1748
Partita „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“
5 Variationen
Joseph Nicolaus Torner
um 1700-1762
Domorganist in Trier
aus „ABC per tertiam Minorem“
- Offertorium d-Moll
- Elevatio d-Moll
- Communio d-Moll
Johann Sebastian Bach
1685-1750
Pastorale F-Dur BWV 590
Magnificat - Fuge BWV 733
Johann Anton Kobrich
1714-1791
Pastorella A-Dur (Allegro moderato)
Claude Balbastre
1727-1799
Noël „Votre bonté grand dieu“
Orgelmusik aus dem Dom zu Trier
IFO-Records (ORGAN-Document - Faszination Kathedralraum)
Max Reger
Fantasie und Fuge in d-Moll op. 135 b
Robert Schumann
Andantino
Petr Eben
Campanae gloriosae
Auftragskomposition des Trierer Domkapitels
zum 25. Domorgel-Jubiläum 1999.
Komposition über den Stundenschlag der Domglocken.
Hermann Schroeder
Toccata für Orgel opus 5a
Marcel Dupré
Symphonie-Passion op. 23
Bei Novello in London erschienen 1923 die zwei Jahre zuvor von Sigfrid Karg-Elert (1877-1933) komponierten Seven Pastels from the Lake of Constance. Die expressiven, harmonisch äußerst kühnen und klanglich sehr farbigen Charakterstücke tragen Titel wie The Nymph of the Lake, Landscape in Mist, The Sun’s Evensong oder The mirrored Moon. Den Abschluss des Werks bildet Hymn to the Stars. Im Notentext gibt Karg-Elert genauestens die Registriervorschriften an: So verlangt er im „misterioso“ von Hymn to the Stars die skurrile Mischung 16‘, 2 2/3‘ und Voix celeste 8‘! Kurz darauf treten eine Terz 1 3/5‘ und eine Flöte dazu. Der Komponist, gebürtig aus Oberndorf am Neckar, wuchs in Leipzig auf und genoss dort eine gute musikalische Ausbildung, vor allem im Fach Klavier. Kurzzeitig war er Klavierdozent am Magdeburger Konservatorium, verlegte sich aber, angeregt durch Emil von Rezniček und Edvard Grieg, ab etwa 1904 ganz auf das Komponieren. Karg-Elert schuf zunächst Kammermusik, Lieder und Klavierwerke. Auch für das „Kunstharmonium“, an dem er ab 1924 bei sonntäglichen Morgenandachten live im Rundfunk zu hören war, entstanden viele Stücke. Durch die Bekanntschaft mit Max Reger und Karl Straube wandte er sich zunehmend der Orgel zu. Seine Orgelwerke fanden vor allem in England und Amerika begeisterte Aufnahme; in Deutschland selbst war Karg-Elert nach seinem Tod so gut wie vergessen. Erst seit den 1980er Jahren werden seine Werke mehr und mehr von Organisten in ihre Konzertprogramme aufgenommen.
Die Choralbearbeitung Christ, unser Herr, zum Jordan kam von Johann Sebastian Bach (1685-1750) entstammt dem 1739 im Druck erschienenen Zyklus Clavierübung. Dritter Theil . Eingerahmt von dem Präludium und der Fuge in Es-Dur machen zehn große Choralvorspiele den Hauptteil dieser Sammlung aus: Die Kompositionen aus Bachs reifster Zeit sind musikalische Kommentare zu Chorälen, deren Reihenfolge nahezu einem gottesdienstlichen Konzept folgt. Der „Dritte Teil der Klavierübung“ trägt daher auch den Titel „Orgelmesse“. Die Sechzehntel-Bewegung, die über weite Strecken in der linken Hand liegt, imitiert tonmalerisch das Murmeln des Jordanwassers. Die Choralmelodie liegt im Pedal.
Der aus dem Elsaß gebürtige Johann Adam Reincken (1623-1722) war Schüler Heinrich Scheidemanns und wurde 1659 dessen Gehilfe und 1663 dessen Nachfolger als Organist der Hamburger Katharinenkirche. 1678 war er Mitbegründer der Oper am Gänsemarkt. Er galt zu seiner Zeit als einer der größten Orgelspieler und Orgelgutachter. Als Johann Sebastian Bach ihm 1720 bei einem Besuch in Hamburg auf der Orgel eine Improvisation vorgespielt hatte, sprach der hochbetagte Reincken: „Ich dachte, diese Kunst wäre gestorben, ich sehe aber, sie lebt in Ihnen noch.“ Mit An Wasserflüssen Babylon schuf Reincken die längste Choralfantasie des Barock überhaupt. Die zehn Choralzeilen sind einzeln als Choralvorspiele auskomponiert und geschickt zur Einheit zusammengefügt. Ruhige und bewegte Diskant-Durchführungen des Cantus-Firmus mit reich kolorierter Solostimme wechseln ab mit Echopassagen, virtuosen Pleno-Teilen und rezitativischen Elementen.
Die Wassermusik von Georg Friedrich Händel (1685-1759) besteht aus den drei Suiten in F-Dur, D-Dur und G-Dur. Weder ein vollständiges Autograph noch ein autorisierter Erstdruck lassen sich nachweisen. Die Ungewissheit über die genaue Entstehungszeit macht die Sachlage ebenso unübersichtlich wie die Existenz zahlreicher Varianten, die zu einzelnen Sätzen vorhanden sind. Die vorliegende Orgelfassung nach einem Druck von 1769 entspricht der Variante III zur Suite in D-Dur.
Wie die spätere Feuerwerksmusik waren die drei Suiten zum Gebrauch unter freiem Himmel konzipiert. Wir wissen von drei „Königlichen Wasserfahrten“ auf der Themse, zu denen Musik von Händel gespielt wurde. Über eine prunkvolle Fahrt am 17. Juli 1717, bei der 50 Musiker mit Trompeten, Hörnern, Oboen, Fagotten, Flöten und Streichern die Bootsgesellschaft erfreuten, berichtete zwei Tage später die Londoner Zeitung „Daily Courant“:„Am Mittwoch abend um ungefähr 8 Uhr ging der König in Whitehall in einer offenen Barkasse zu Wasser, in der auch die Herzogin von Bolton, die Herzogin von Newcastle, die Komtesse von Godolphin, Madam Kilmarnock (gen. Kielmansegge) und der Earl of Orkney waren. Und er fuhr auf dem Fluss nach Chelsea. Viele andere Barkassen mit wichtigen Persönlichkeiten kamen hinzu, und es waren so viele Boote, dass gewissermaßen der ganze Fluss bedeckt war. Auf einer von der City Company [eine der großen Londoner Gilden] bestellten Barkasse waren 50 Instrumente jeder Art, die von Lambeth an den gesamten Weg lang spielten (während die Barkassen mit der Tide ohne Rudern bis Chelsea fuhren): Die besten Symphonien, eigens für diesen Anlass von Herrn Händel komponiert, die Seine Majestät so sehr mochte, dass er sie mehr als dreimal während der Hin- und Rückfahrt spielen ließ. Um 11 Uhr ging Seine Majestät in Chelsea an Land, wo ein Abendessen vorbereitet war, und dort war noch eine großartige Musikkapelle, die bis 2 Uhr blieb. Danach ging Seine Majestät wieder in seine Barkasse und kehrte auf demselben Weg zurück, während die Musik weiter spielte, bis er landete."
In einem Antwerpener Liederbuch des 16. Jahrhunderts steht das Lied T’Andernaken, al op den Ryn, daer vant ik twee maechdekens spelen gaen. Die Handlung des damals recht beliebten weltlichen Gesangs spielt in Andernach. Paul Hofhaimer (1459-1537), berühmter Innsbrucker Hoforganist, nahm wie viele Komponisten seiner Zeit (so etwa auch Ludwig Senfl) die Liedmelodie des „Tandernaken“ und schrieb darüber ein dreistimmiges Orgelstück. Überliefert ist es in mehreren Orgeltabulaturen. Die Tabulatur Johannes Kotters enthält zudem eine in Mensuralnotation und im Tenorschlüssel geschriebene Altstimme mit dem kuriosen Vermerk: „ANDERNAK. Altus. von ein andern darzu zu schlagen“.
„ ...Ich will die Donau ihren ganzen Strom lang sehen. Und dann gehe ich meine Sinfonie an...“. Leoš Janáček (1854-1928) starb, bevor er seinen im Alter von 70 Jahren geäußerten Wunsch nach einer Donaufahrt verwirklichen konnte. Auch die Symfonie Dunaj, an deren Skizzen er seit 1923 gearbeitet hatte, sollte nicht vollendet werden. Seine Liebe zur Donau rührte von einem längeren Aufenthalt in der slowakischen Hauptstadt Bratislava her, wo er anlässlich der Aufführung seiner Oper Katja Kabanowa eine glückliche Zeit erlebt hatte. Die viersätzige Donau-Symphonie war bei Janáčeks Tod ein Torso, den ein Schüler von ihm erst 1948 anhand originaler Aufzeichnungen zur Vollständigkeit ergänzte. Die heute bekannte Orchesterfassung schufen schließlich die Komponisten und Musikwissenschaftler Leoš Faltus und Miloš Štědroň im Jahr 1985.
Die Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam" aus Giacomo Meyerbeers Oper Le Prophète ist die erste und größte Orgelkomposition von Franz Liszt (1811-1886). Er komponierte das gewaltige Werk im Winter 1850, kurz nachdem er nach Weimar gezogen war. Meyerbeers Prophet handelt vom Aufkommen der Wiedertäufer in Holland im 16. Jahrhundert. Der romantisch nachempfundene Choral „Ad nos“, der im ersten Akt der Oper gesungen wird, ist ein Aufruf an das Volk, sich im heilenden Wasser wieder taufen zu lassen. Meyerbeer, dem Liszts Fantasie und Fuge gewidmet ist, zeigte sich sehr erfreut, als er erfuhr, dass sein Name dank der Veröffentlichung von "Ad nos" im Jahre 1852 mit dem von Liszt in Verbindung gebracht wurde. Die erste Aufführung von "Ad nos" fand 1855 anlässlich der Einweihung der Ladegast-Orgel im Merseburger Dom statt. In für Liszt typischer Weise werden zunächst Bruchstücke des kurzen Chorals unablässig neu begleitet, neu harmonisiert und neu „orchestriert“. Erst der zwischen Fantasie und Fuge stehende Adagio-Teil zitiert erstmals alle Choralzeilen vollständig. Auch hier werden anschließend Elemente des Chorals frei weitergesponnen. Die ruhige Stimmung des Mittelteils wird schlagartig beendet durch eine wilde, pianistisch-virtuose Kadenz, die wiederum überleitet zur Fuge, die das Choralthema in scharf punktierter Variante zum Thema hat. Eine gewaltige Steigerung mündet in eine abschließende Hymne, und monumentale Akkorde lassen den Choral letzmals, nun in strahlendem C-Dur, aufscheinen.
Josef Still
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Besprechung in der Zeitung LUXEMBURGER WORT: "Die Welt der Schallplatte" 29.1.2000
Die besondere Orgel-CD : "Wassermusik" auf der Oberlinger-Orgel in Vallendar am Rhein
Die vom Trierer Domorganisten Josef Still (*1959) eingespielte CD gehört in mehrfacher Hinsicht zu den besonders hochwertigen Aufnahmen. Da steht an erster Stelle die 1998 in der Pfarrkirche St. Marzellinus und St. Peter in Vallendar erbaute dreimanualige Oberlinger-Orgel, deren Disposition von 49 Registern demnächst durch drei weitere Chamadenregister auf 52 Register vergrößert
wird. Die Kirche in Vallendar hatte bereits 1786 eine Stumm-Orgel erhalten, die 1758 für die Schlosskapelle in Ehrenbreitstein erbaut und dort von Wilhelm Schöler 1770 für 40 Reichstaler restauriert worden war. An ihrem neuen Standort in Vallendar wurde sie 1842 von der Firma Weil von 20 auf 27 Register vergrößert. 1955 und 1971 wurde die Orgel von der Firma Kemper und Sohn - die in Luxemburg
die Orgeln in Weimerskirch, Limpertsberg und Bonneweg geliefert hat - umgebaut und vergrößert, wobei - gemäß einer Bestandsaufnahme von 1991 - "derart gravierende, unfachmännische und dilettantische Eingriffe" in das historische Pfeifenwerk vorgenommen wurden, dass dieses nicht mehr verwendet werden konnte. Das Material und die Verarbeitung der neu eingebauten Register wurden als derart minderwertig bezeichnet, dass sie weder eine Restaurierung noch eine Wiederverwendung in einer neuen Orgel rechtfertigten. Deshalb wurde die Orgelmanufaktur Gebrüder Oberlinger aus Windesheim mit dem Bau einer neuen Orgel beauftragt.
Die Firma Oberlinger, die in Luxemburg sieben Orgeln baute und in der beispielhaften Restaurierung der Stumm-Orgel der Dreifaltigkeitskirche neue Maßstäbe setzte, hat einen besonderen Klangstil entwickelt, der als Synthese zwischen mittelrheinischer Orgeltradition und französischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts gewertet werden kann. So weisen denn auch die französischen
Bezeichnungen der Register und der Manuale darauf hin, dass Aufbau und Intonation der neuen Orgel in Vallendar vor allem vom französischen Einfluss geprägt wurde, was gleich zu Beginn der Einspielung erkennbar wird. Der Gesamtklang bleibt in allen dynamischen Abstufungen homogen; dank der großen Anzahl der 8'-Register, die eine geschlossene Klangbrücke zwischen den Obertonreihen und den abgrundtiefen Bässen her-stellen. Von den 13 Zungenstimmen stehen gleich 4 im Schwellwerk, das mit 17 Registern überreich besetzt ist und somit grandiose Klangwirkungen und -abstufungen ermöglicht. Das Tutti des geschlossenen Schwellkastens wirkt wie ein in Fesseln gelegter Urknall; wird das Schwellwerk geöffnet, werden apotheotische Klangwelten geboren. Und da baut man im Großherzogtum gleich zwei dreimanualige Orgeln ohne Schwellwerk, was im Vergleich mit der Orgel in Vallendar einer Sünde wider den Heiligen Geist gleichkommt.
Dieses Meisterwerk der Orgelbaukunst fand in Josef Still den adäquaten Meister für die Vorstellung der Orgel und deren Einspielung. Mit den um den Themenkreis "Wasser" angesiedelten Stücken werden für einmal die ausgetretenen Pfade der Paradestücke verlassen. Die Idee entstand während der vielen Faltbootfahrten, die Josef Still auf den Flüssen und Strömen Europas, von der Nordsee bis hin zum
Schwarzen Meer, unternimmt.
Als Einleitung hören wir die "Hymne an die Sterne" op. 96/7 aus den 1921 von Sigfrid Karg-Elert komponierten "Sieben Pastellen vom Bodensee", in der vom Komponisten vorgeschriebenen, skurrilen Registrierung. Es folgen "Christ, unser Herr, zum Jordan kam" von J. S. Bach, "An Wasserflüssen Babylon" von Johann Adam Reincken, drei Orgelstücke (Orgelfassung nach einem Druck von 1759) aus der "Wassennusik" von G. F. Händel, "Tandernak" von Paul Hofhaimer, ein dreistimmiges Orgelstück nach einem Lied aus einem Antwerpener
Liederbuch aus dem 16. Jh., "Allegro" als Transkription von Josef Still aus der viersätzigen "Donausymphonie", die Leos Janacek unvollendet hinterlassen hatte und die von einem Schüler 1948 beendet wurde, und, als glanzvoller Abschluss, Fantasie und Fuge über "Ad nos, ad salutarem undam" von F. Liszt. Hier werden Orgelklang und Orgelspiel zu einem nachhaltigen, nicht zu überbietenden
Ereignis, das man schon selbst persönlich erleben muss, weil es sich nicht in Worte fassen lässt.
Norbert Thill
Festliches Orgelkonzert im Trierer Dom
Organum – Records
Johann Sebastian Bach
1685-1750
Praeludium und Fuge e-Moll BWV 548 (Hauptorgel)
Wolfgang Amadeus Mozart
1756-1791
Adagio, Allegro und Adagio f-Moll
Ein Stück für ein Orgelwerk in eine Uhr KV 594 (Chororgel)
Felix Mendelssohn-Bartholdy
1809 - 1847
Sonate VI in d-Moll
„Vater unser im Himmelreich“ (Hauptorgel)
Johann Sebastian Bach
1685-1750
Triosonate V C-Dur BWV 529
Allegro - Largo - Allegro (Chororgel)
Sigfrid Karg-Elert
1877-1933
Symphonischer Choral „Jesu, meine Freude" op.87
- Introduzione (Inferno)
- Canzone
- Fuga con Corale (Hauptorgel)
MAX REGER
Josef Still organ, Naxos 8 555905 (77 minutes: DDD), Played on the Klais organ of Trier Cathedral, Germany
Besprechung in www.musicweb.uk.net
It is often difficult to contextualize the works of certain composers wholly in terms of their own time and location. Each man is inevitably compared to his forebears, whether for good or ill, and categorized through perceived commonality, regardless of the validity of such claims. For instance, Bach, Beethoven, and Brahms are almost always linked not merely due to their greatness, but also because of their common motherland and the alphabetic proximity of their surnames. Thus Max Reger cannot avoid being compared to J.S. Bach due to the shared German heritage, large bodies of religious work based on Lutheran melodies, and their definitive work for the organ. However, in truth it would be hard to name a greater German composer of organ music post-Bach than Reger. This latest release by Naxos goes far in making just such a case.
Reger’s organ music tends to be highly dramatic and expressive, taking full advantage of the bright bombast and deep thunder so common in traditional organ music, while alternately exploring the under-utilized intimacy that a well made organ can produce. As he was a Catholic by faith, he wrote much for the mass, including many of the tracks on this CD. He also borrowed liberally from the melodies of his Lutheran brethren, as displayed in the opening and closing tracks also contained here.
The selections are well chosen, and are from the heart of Reger’s musical career. Written between 1899 and 1902, and characteristically emotive to the point of emotional exhaustion, they are perfectly indicative of what makes Reger so great. These pieces are both incredibly texturally dense while still completely tonal and approachable. From a compositional standpoint, they are virtuosic explorations of the symphonic colors of the organ and testaments to his belief in absolute music, contrasting the program music of his contemporaries Wagner and Liszt. He tells no stories, paints no literal pictures, but pulls emotions directly out of his listeners, assuming that the musician is capable of playing the works as Reger intended.
Josef Still, the organist bringing Reger’s music to life, does an outstanding job of interpreting these virtuosic works without apparent difficulty. Indeed, the music seems to channel itself through him, flowing out with grace and subtlety when appropriate, and with intensity and exuberance when allowed. The instrument itself is a magnificent four-manual Klais organ installed in 1974 and housed in the oldest church north of the Alps, with portions dating to the 4th century AD. The recording does much to showcase the versatility of this instrument and the virtuosity of Mr. Still.
If you are not familiar with the organ works of Max Reger, this recording would make an excellent introduction. They are not overly-intellectual or difficult to approach; they are made to sound easy even when they are at their most challenging. Indeed, Reger’s brilliance is beautifully showcased throughout each selection in a setting that is incredibly appropriate to the music, both in terms of geography and the characteristic timbre he would have desired. I heartily recommend this recording to any collector.
Patrick Gary
Quelle:
http://www.musicweb.uk.net/classrev/2004/Jan04/reger_organ4.htm.
Besprechung in GRAMOPHONE February 2004
Reger playing of the highest order in an altogether substantial programme that benefits from an exemplary recording. Naxos's fine survey of Reger's organ works has now reached Volume 4. To those who have not heard the previous discs this new release makes an ideal introduction, containing, as it does, three blockbusters interspersed by half a dozen shorter works from the Op 59 set of Twelve Piec
This is Reger playing of the highest order. Josef Still's interpretations are note-perfect, lucid, flamboyant and sensitive in equal measure and utterly compelling; he has total mastery of these immensely complex scores. He is helped, of course, by the beautifully balanced choruses of the 1974 Klais organ which is perched high up on a nave wall in Trier Cathedral, the oldest church north of the Alps. Reger's organ music can often be (literally) over-blown; but Still manages to provide solidity without congestion, conjuring a fabulous wealth of tonal variety, while keeping - in terms of sheer power — a little something extra in reserve.
Reger sometimes lacks the finesse and poetry of his younger contemporary, Karg-Elert, and some listeners might prefer to enjoy this hefty meal in smaller portions. However, the recording quality and production are exemplary, which they should be, since they are both the responsibility of Wolfgang Rübsam, no mean organist himself!
Malcolm Riley
Besprechung in Magazin de Orgelvriend
maandblad voor orgelliefhebbers, 46. Jahrgang Nr. 11 (november 2004), s. 34.
Max Reger Organ Works Vol. 4
In februari van dit jaar besprak het lang verwachte derde deel in de serie Reger-opnamen op Naxos. Niet lang daarna verscheen ook Volume 4, opgenomen op het Klais-orgel (1974) in de Dom van Trier. Dit origineel vormgegeven ‘zwaluwnestorgel’ is qua klank verwant aan het orgel in de Dom van Würzburg en veel andere instrumenten van Klais waarmee Noord-Duitsland bezaaid lijkt te zijn. Herkenbaar door de (niet onaangename) “Spuck” en de kwinterende pedaaltonen. Door zijn transparantie heel geschikt voor Reger, dat wel. Het Trierer orgel bevat een aantal mooie romantische stemmen, zoals in de zes delen uit Opus 59 te horen is. Daaronder wat wordt genoemd de “kleine Orgelmesse” (Kyrie eleison – Gloria in excelsis – Benedictus) en Melodia, mooi poëtisch gespeeld, met een 8-voets prestant als solostem (geen 8- en 2 2/3-combinatie zoals in Nederland welhaast gebruikelijk).
Josef Still voelt zich duidelijk als een vis in het water in dit repertoire, getuige zijn gestructureerde uitvoeringen van de ‘Wie schön’-fantasie en de Introduktion und Passcaglia f-Moll uit de Monologe opus 63. De spanning blijft tot het einde toe voelbaar. Bepaald overrompelend is zijn aanpak van de koraalfantasie ‘Hallelujah! Gott zu loben bleibe meine Seelenfreud’, virtuoos en met flair. Ik heb er niet veel woorden voor nodig: een magnifieke cd voor een zeer vriendelijke prijs.
De opname is wat “smal” en aan de directe kant. Een lezer stuurde mij enige tijd geleden een eigen opname uit diezelfde Trierer Dom die bewijst dat een levensechtere weergave mogelijk is!
Gerco Schaap
Trompete und Orgel
Thomas Hammes, Trompete; Josef Still, Orgel.
mons-records
André Fleury (1903-1995)
Marche pour Orgue et trompette
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Concerto d-Moll BWV 596
Johann Sebastian Bach
„Jesus bleibet meine Freude“
für Trompete und Orgel
Jean Rivier (1896-1987)
Aria pour Trompette et Orgue (1972)
Jean Françaix (1912-1997)
Suite Carmélite
Henri Jules Joseph Nibelle (1883-1966)
Carillon Orléanais
Petr Eben (geb. 1929)
„Fenster“ für Trompete und Orgel
VOL. 9, Josef Still, organist
Trier Cathedral, Germany, Date: June 23, 24, 2008, RMC Classical Music, USA, Producer: Wolfgang Rubsam
Booklettext von Johannes Adam
Engel – das ist ein Begriff, der sich auch in unserer Umgangs- und Alltagssprache findet. Nach dem Verständnis der Bibel, wo sie im Alten und Neuen Testament vorkommen, und dem Wortsinn nach sind Engel indes primär Boten, die den Menschen das Wort, den Willen und die Gegenwart Gottes mitteilen. Im ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums etwa wird vom Engel Gabriel berichtet, der Maria in Nazaret die Verheißung der Geburt Jesu überbringt: Mit den Worten „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ soll er Maria angesprochen haben. Später dann ist es ein Engel, der den Hirten auf dem Feld bei Betlehem die Geburt des Messias verkündet. Auch im Kontext des Auferstehungsgeschehens am Ostermorgen ist von Engeln die Rede. Dass Kunst und Volksfrömmigkeit bisweilen zu einer Verniedlichung und Verkitschung beitrugen, ist mitnichten den Himmelsboten anzulasten.
In die Schöpfungen von Künstlern aller Sparten haben Engel als Sujet Einzug gehalten. So heißt der erste Satz der Sinfonie „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith „Engelkonzert“. Das Werk entstand 1934 in Zusammenhang mit der gleichnamigen Oper, die als bedeutendste Bühnenkreation und als Schlüsselwerk des gebürtigen Hanauers gilt. Das Bühnenwerk in sieben Bildern ist Künstleroper, historische Oper und, wenn man so will, auch ein geistliches Stück. Es geht um die Kämpfe und Probleme des Malers Mathis Gothardt-Neithardt (genannt Grünewald), der in Diensten des Erzbischofs von Mainz steht. Bevor er das mühsam selbst geschaffene Libretto abgeschlossen hatte, komponierte Hindemith eine dreisätzige Sinfonie, die er dann auch in der Oper nutzte. Uraufführung der Sinfonie war am 27. Februar 1934 unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler. Die erfolgreiche Sinfonie ist ein klingendes Triptychon („Engelkonzert“, „Grablegung“, „Versuchung des heiligen Antonius“) nach drei Tafeln von Grünewalds Isenheimer Altar. Eine besondere Rolle in Oper (aus der Taufe gehoben 1938 in Zürich) und Sinfonie spielt der Choral „Es sungen drei Engel ein’ süßen Gesang“ (Text und Musik: Mainz 1605). Der Kopfsatz der Sinfonie ist an der dreiteiligen Sonatenform orientiert und hat drei Themen. Die hier eingespielte luzide Orgelbearbeitung stammt von Ulrich Krupp (geb. 1967).
Auf den Engel als Künder der Weihnachtsbotschaft verweist Martin Luthers Lied „Vom Himmel hoch da komm ich her“. Über diesen Choral schrieb Johann Sebastian Bach ein „gelehrtes“ Kompendium: die so genannten Canonischen Veränderungen BWV 769 a. Seine Entstehung verdankt das Werk dem 1747 erfolgten Eintritt des Leipziger Thomaskantors als 14. Mitglied in die „Societät der musikalischen Wissenschaften“, die Bachs Schüler Lorenz Christoph Mizler 1738 gegründet hatte. Mindestens fünf Arbeitsphasen sind zu konstatieren. Zu unterscheiden sind überdies zwei Fassungen: die autografe Version, der die vorliegende Aufnahme folgt, und die Stichversion (Angaben in Klammern). Bach zeigt seine kontrapunktischen Künste. Variation I bietet einen Oktavkanon der Oberstimmen, die Choralmelodie liegt im Pedal. Variation II: Quintkanon der Oberstimmen, Cantus firmus auch hier im Pedal. Variation III (V): diverse Spiegelkanons, abschließend Engführung, Diminution und „alla Stretta“, dort Kombination der vier Choralzeilen. Zudem lässt sich die Tonfolge B-A-C-H ausmachen. Variation IV (III): Kanon in der Septim, dazu freie Stimme, Liedmelodie im Sopran. Variation V (IV): Oktavkanon in der Vergrößerung („per augmentationem“), Choral im Pedal. Der späte Bach – man denke an die „Kunst der Fuge“ – als konstruktivistischer Kontrapunktiker.
In eine völlig andere Klangwelt zeigt „Saluto angelico“ von Sigfrid Karg-Elert. Es handelt sich um den fünften Satz aus dem Zyklus „Cathedral Windows“ op. 106 von 1923. Eine musikalische, geradezu impressionistische Versinnlichung von gotischen Bildfenstern einer alten Kathedrale. „Diese Stücke liebe ich blödsinnig“, erklärte Karg-Elert, den man durchaus als Jugendstil-Komponisten apostrophieren kann. Er habe sie „in einem wahren Paroxismus religiöser Versenkung“ geschrieben, „als ich zum ersten Male mit dem gregorianischen Choral zusammengeriet“. „Saluto angelico“ ist eine Ave-Maria-Rezeption. Signifikant die Vortragsanweisung: „Larghetto mistico“. Mystische, ätherische Musik, die sich im unteren Bereich der Dynamikskala ereignet. Strukturen, die ganz auf den Klang hin konzipiert sind. Eine Kombination von Soloeffekten und Begleitung. Ein Satz, mit dem sich
(Klang-)Farben einer Orgel zeigen lassen.
In die niederbayerische Donaustadt Deggendorf führt die Choralpartita „Unüberwindlich starker Held, St. Michael“, die Fritz Goller 1973 zu Papier gebracht hat. Deggendorf war aber nicht nur die Heimat des Komponisten, der von 1914 bis 1986 lebte, sondern dort wurde auch der Interpret dieser CD geboren. Goller, ein Neffe des in Kirchenmusikerkreisen bekannteren Vinzenz Goller, formte aus dem Lied auf den Erzengel Michael eine Partita mit unverkennbar neobarocken Zügen. Wobei die einzelnen Sätze – dies ergibt sich aus den Überschriften – jeweils den einzelnen Liedstrophen zuzuordnen sind. Der Liedtext stammt von Friedrich Spee – das Grab des „Hexenanwalts“, Dichters und Seelsorgers befindet sich unter der Trierer Jesuitenkirche. Zunächst wird der Choral in schlichter Vierstimmigkeit exponiert. Eine schöne Idee hat Goller in der ersten Variation: Zu den Worten „Die Kirch’ dir anbefohlen ist“ führt er das – ja ebenfalls auf die Kirche bezogene – Lied „Ein Haus voll Glorie schauet“ (Joseph Mohr, 1876) im Kanon. In diesem Trio erscheint das Michaelslied solistisch im Pedal. Triolisch geprägt ist die nachfolgende Variation („Die Engel sind dein Königsheer“). Der nächste Abschnitt („Groß ist dein’ Macht“) ist phonstark vorzutragen. Der „Drachen“ in der nächsten Liedstrophe schlängelt sich zunächst durch die Pedalstimme, haucht dann nach und nach sein Leben aus, bis St. Michael ihm schließlich den letzten Schlag versetzt. „O komm mit deiner Ritterschaft“ präsentiert sich als „Trumpet air“. Das in E-Dur ausklingende Finale ist dynamisch zu steigern.
Engelsthematik findet sich auch bei Franz Liszt. „Angelus!“ von 1877 heißt das erste Stück des dritten Teils der „Années de pèlerinage“ („Wanderjahre“). Meditative Musik, die nicht für den Konzertsaal gedacht ist. „Angelus!“ ist ein Gebet zu den Schutzengeln. Der betagte Komponist hat es seiner Enkelin Daniela von Bülow zugeeignet. Das E-Dur-Stück im Sechsachteltakt mit der Vortragsanweisung „Andante pietoso“ ist, wie auch die anderen Beiträge der Kollektion, als Programmmusik zu verstehen. Glockenklänge – man beachte den Hinweis „dolce“ – bilden den Rahmen für eine große Steigerung. Eine Musik, die dennoch nach innen gerichtet ist, im Gegensatz zu den extrovertierten Liszt’schen Orgelwerken wie der monumentalen Fantasie über „Ad nos, ad salutarem undam“ oder der B-A-C-H-Hommage.
Ebenfalls in schützender Funktion erlebt man die Engel in der einschlägigen Szene der Märchenoper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck: „Abends, will ich schlafen gehn, vierzehn Englein um mich stehn“, heißt es da. Diese Oper ist Humperdincks Hauptwerk und zählt zu den wichtigsten Märchenopern überhaupt. Humperdinck hatte in München unter anderem bei Josef Rheinberger studiert und war von 1880 bis 1882 Assistent Richard Wagners in Bayreuth. „Hänsel und Gretel“, jenes Märchenspiel in drei Bildern, ist Humperdincks Erstling für die Opernbühne. Das Libretto hatte Humperdincks Schwester Adelheid Wette entworfen. Die bis heute beliebte und nicht zuletzt in der Weihnachtszeit gern gespielte Oper kam am 23. Dezember 1893 am Hoftheater Weimar unter der Leitung von Richard Strauss zur Uraufführung. Es gibt Wagner-Reminiszenzen (Orchesterapparat, Leitmotive). Es finden sich aber auch Elemente, die Volksliedcharakter haben. Prominentes Beispiel dafür ist eben der so genannte Abendsegen „Abends, will ich schlafen gehn“. Die Transkription für Orgel verdanken wir dem 1865 in London geborenen und 1934 in Los Angeles verstorbenen Edwin Henry Lemare.
Das „Ave Maria“ in A-Dur von Max Reger ist als Nr. 7 Bestandteil der „Monologe“, jenen zwölf Orgelstücken op. 63 aus der Münchner Zeit, konkret von Anfang 1902. Zu den bekanntesten Werken dieser Sammlung zählen zweifellos Introduktion und Passacaglia in f-Moll. Den Titel „Monologe“ hat Reger womöglich von Rheinberger übernommen, von dem 1890 unter diesem Etikett gleichfalls Orgelstücke auf den Markt gekommen waren. Mit dem „Ave Maria“ aus op. 63, dem ein gleichnamiges Werk (diesmal in As-Dur) in den Orgelstücken op. 80 an die Seite zu stellen ist, sehen wir Reger, der ja von Hause aus Katholik war, im marianischen Genre. In diesen Bereich gehören obendrein Exempel aus dem Chor- und Liedschaffen dieses für die Orgelmusik der deutschen Spätromantik so wichtigen Komponisten. Das „Ave Maria“ im lieblichen A-Dur aus den „Monologen“: Das ist verhaltene lyrische Orgelmusik – nicht zu schnell („Andante sostenuto“), nicht zu laut, nicht zu schwer. Und doch mit typisch Reger’schem Espressivo. Innige Musik für die Pastellfarben der Orgel. Geeignet für Gottesdienst und Konzert. „Ave Maria“: Da ist die Gottesmutter gemeint, der seinerzeit der Gruß des Engels galt.
Bei „In Paradisum“ von Théodore Dubois kommt eine weitere Konnotation des Engelthemas zum Tragen: Sie bezieht sich, wie es im Text Maria Luise Thurmairs zu einem Engellied umrissen wird, auf unseren „letzten Gang durch Todesnot und Grauen“. Und was tut der Engel? „Er wird die Flügel breiten und uns aus dem Gericht in Frieden heimgeleiten vor Gottes Angesicht.“ Das „In Paradisum“ („Zum Paradies mögen Engel dich geleiten“) ist, und zwar auf dem Weg zum Grab, Bestandteil der Begräbnisliturgie. „In Paradisum“: Sätze mit dieser Überschrift findet man in den Requiem-Vertonungen der Franzosen Gabriel Fauré und Maurice Duruflé. Diesen Titel trägt eben auch das Werk von Dubois, das dem italienischen Komponisten Marco Enrico Bossi gewidmet ist. Dubois, der in einem Dorf bei Reims geboren worden war und von 1896 bis 1905 als Direktor am Pariser Conservatoire amtierte, ist Orgelfreunden vor allem durch seine motorische Toccata ein Begriff. Eine gewisse Motorik (Sextolen!) weist auch das Paradies-Stück auf – ob diese Bewegung den Flügelschlag der Engel symbolisieren soll? Ein ausgesprochen klarer, transparenter G-Dur-Satz.
Es gibt nicht nur Posaunenengel (wie man sie vom Freiburger Münster kennt), sondern auch Trompetenengel: „L’ange à la trompette“ – so hat Jâcques Georges Paul Charpentier sein „Prélude pour Grand Orgue“ genannt. 1933 in Paris geboren und keinesfalls zu verwechseln mit seinem barocken Namensvetter Marc-Antoine, hat Charpentier ein Werk vorgelegt, das mit dem großem Orgelklang rechnet, ohne das Filigrane, die Reduktion, zu ignorieren. Ein ziemlich eigenes Werk, in dem allerdings Olivier Messiaens Vogelwelt mitunter Spuren hinterlassen hat. Fanfarenartig und eher gravitätisch der Beginn. Ein erheblich schnellerer Teil folgt. Die Rückkehr zum Ausgangstempo vollzieht sich im dreifachen Forte. Doch dabei bleibt es nicht. Sogar das Wörtchen „dolce“ taucht auf. Über ein Crescendo wird bald ein weiterer Kraftausbruch erreicht. Eine, mit einem Perpetuum mobile vergleichbare, nicht mehr abreißende Sechzehntelkette begleitet den weiteren Verlauf. Den Ausklang bilden vier gewichtige, von wuchtigen Pedalquinten getragene „Largo“-Takte, die auf dem tiefsten Ton C basieren. Engel (und Boten) haben gesprochen. Ihre Botschaft geht uns alle an.
Besprechung in Zeitschrift "De Orgelvriend" (NL) 2008
Engelkonzert - Josef Still - Klais-Orgel Dom Trier - Organum Classics Ogm 267014 (SACD Multichannel) - Spieldauer 70'59'
Auch eine überraschende Scheibe, aber in einem ganz anderen Sinn, ist die CD, die Josef Still auf "seiner" noch immer imposant erscheinenden Klais-Orgel (1974) im Trierer Dom für das junge Label Organum aufgenommen hat. Es ist nicht so sehr eine CD, die beim Hörer für ein ultimatives "Weihnachtsgefühl" sorgt, wohl aber hat sie ein interessantes Programm rund um das Thema "Engel". Da gibt es als Erstes das Engelkonzert, eine Transkription des ersten Satzes aus der Sinfonie "Mathis der Maler", die Paul Hindemith 1934 in Vorbereitung auf seine gleichnamige Oper über das Leben des Malers Matthias Grünewald komponierte. Eigentlich sollte man in diesem Programm eher das Concerto "Es sungen drei Engel" von Hindemiths Zeitgenossen Hans Friedrich Micheelsen erwarten. Bei diesem Engelkonzert liegt aber tatsächlich derselbe Choral zugrunde und es ist interessant zu hören, wie Hindemith diese Thematik bearbeitet.
In einem solchen Programm dürfen Bachs "Canonische Veränderungen über Vom Himmel hoch" natürlich nicht fehlen, wenngleich auch der Choral "Vom Himmel kam der Engelschar", BWV 607, aus dem Orgelbüchlein passend gewesen wäre. Die Klais-Orgel von Trier kann als "Kompromissorgel" im besten Sinne des Wortes gelten, so wie es im Kapitel "Die Orgel als Klangskulptur" im 36 (!) Seiten zählenden Booklet zu lesen ist. Und in der Tat klingt Bach in Trier genauso befriedigend wie beispielsweise Karg-Elerts Saluto angelico aus seiner impressionistischen Suite "Cathedral Windows". Dass Still die bei uns völlig unbekannte Partita von Fritz Goller (1914 - 1986) auswählte, hat einen bestimmten Grund: Still wurde im selben Bayrischen Ort (Deggendorf) geboren, wie der Organist. Der "Angelus" (vollständig Angelus Domini, "Der Engel des Herrn") ist ein katholisches Gebet, das von alters her drei Mal am Tag gebetet wird. Morgens um sechs, um zwölf Uhr mittags und um sechs Uhr abends. Es wird durch das Läuten einer kleinen Glocke angekündigt, die Franz Liszt in seinem "Angelus!" aus "Années de pèlerinage" darstellt. Auch in der Märchenoper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck gibt es eine Engelszene (Abends, will ich schlafen gehn), die durch den bekannten englischen Organisten/Komponisten Edwin Lemare für Orgel bearbeitet wurde. Am Ende erklingt hier eine der Röhrenglocken, die zur Klaisorgel gehören. Mit dem "Ave Maria" aus Max Regers Monologe, Opus 63, erreichen wir wieder das Terrain der echten Orgelmusik. Es ist eins von Regers berühmten kurzen, lyrischen Werken, das, durch viele Tonarten wandelnd, andauernd das Herz anspricht. Engel als ein musikalisches Motiv: dies kann sich in einer paradiesischen Vision ausdrücken (Dubois, In Paradisum), oder auch als klingende Botschaft, so wie es der 1933 geborene Jacques Georges Paul Charpentier in seinem "L'Ange à la Trompette" getan hat. Ein Werk mit kräftigen Kontrasten, von großen und intimen Orgelklängen, mit denen er sagen will: "Die Engel haben gesprochen. Die Botschaft geht uns alle an." Die Stereoaufnahme ist sehr direkt; es ist aber möglich, dass eine Fünfkanalwiedergabe, zu der die CD in der Lage ist, dem Raum besser gerecht wird. Das Booklet ist vorbildlich.
Gerco Schaap
Übersetzung: Gerhard W. Kluth
Besprechung in www.klassik.com von Dominik Axtmann
Ausgabe vom 15.12.2008
Was der Trierer Domorganist Josef Still da zum Thema ‘Engel’ zusammengetragen hat, ist eine hochinteressante Melange aus etablierter Orgelliteratur und lohnenswerten Raritäten. Johann Sebastian Bachs Canonische Veränderungen über ‘Vom Himmel hoch da komm ich her’ und Max Regers ‘Ave Maria’ sind da noch die bekanntesten Werke – umso spannender, was es zu entdecken gilt.
Da ist zum einen das Titel stiftende ‘Engelkonzert’ aus der Sinfonie ‘Mathis der Maler’ von Paul Hindemith in einer Orgeltranskription von Ulrich Krupp. Eine besondere Rolle spielt dabei der Choral ‘Es sungen drei Engel ein’ süßen Gesang’, der Gelegenheit zum solistischen Spiel mit den zeittypischen kurzbechrigen Zungen (Vox humana) und den Aliqouten gibt. Überhaupt scheint die Orgel für Hindemith am besten geeignet zu sein. Auch wenn man sicherlich an diesem 67-registrigen Instrument der Bonner Firma Johannes Klais, das als Schwalbennest im Zuckerbäckerstil auch ein ungewöhnliches optisches Vergnügen bereitet, Orgelmusik aller Epochen darstellen kann und es für sein Baujahr (1974) eine beachtliche klangliche Wärme vorweist, kann sie in den romantischen Stücken weniger überzeugen und ihre zeittypische ‘neobarocke’ Intonation nicht verleugnen. Allerdings: warum auch? Längst hat man erkannt, dass qualitätvoll gebaute Instrumente dieser Epoche – und die Klais-Orgel des Trierer Doms darf man getrost dazu zählen - ihren eigenen Charme besitzen. Für den Organisten gilt es jeweils, diesen geschickt als Stärke auszuspielen. Josef Still kennt sein Instrument genau und verfügt über genügend technische Souveränität und vor allem Spielwitz, seine Orgel bei allen Stücken überzeugend klingen zu lassen.
Ungewöhnliche Klangfarben
So entlockt er ihr immer wieder Klangfarben, die auch der Orgelkenner nicht sofort vermuten würde, beispielsweise im ‘Saluto angelico’ aus den ‘Cathedral Windows’ von Sigfrid Karg-Elert mit verschiedenen Schwebungs-Effekten. Fritz Gollers Choralpartita ‘Unüberwindlich starker Held, St. Michael’ enthält auch die Melodie des bekannteren ‘Ein Haus voll Glorie schauet’ und darf als Repertoireergänzung höchst empfohlen werden, besonders wegen des Drachenkampfes. Die genialen Übertragungen des amerikanischen Konzertorganisten Edwin H. Lemare, aufgrund ihrer technischen Schwierigkeiten gefürchtet, gelten mittlerweile als eigenständiger Beitrag zu Orgelliteratur und finden immer öfter auch in europäische Konzertprogramme Eingang. Die Engelszene aus Engelbert Humperdincks Märchenoper ‘Hänsel und Gretel’ mit dem herzergreifenden Abendsegen ‘Abends, will ich schlafen gehen, vierzehn Engel um mich stehn’ ist ohne jeden Kitsch, aber höchst sensibel gespielt.
Schöne Flötenstimmen kommen immer wieder zum Einsatz, sei es solistisch oder als Sextolen-Begleitung in Theodore Dubois’ ‘In Paradisum’. Beachtlich die dynamische Bandbreite und Differenzierungsfähigkeit der Orgel besonders im unteren Lautstärkebereich – dank des geschickten Registrierens des Organisten, das in Jâques Georges Paul Charpentiers (übrigens nicht zu verwechseln mit dessen barocken Namensvetter Marc-Antoine) ‘L’Ange à la Trompette’ sogar täuschend glockenähnliche Klänge hervor zaubert. Gerade dieses letzte Stück, bei uns kaum bekannt, ist ein visionäres, postsymphonisches Prélude, das mit dem großen Orgelklang rechnet, ohne das Filigrane zu ignorieren (mitunter hat hier Olivier Messiaens Vogelwelt ihre Spuren hinterlassen). Ein Werk von größter Aussagekraft, wie die ganze CD.
Hohe Aussagekraft
Josef Stills Spiel hat nichts Akademisches an sich, sondern wirkt frisch und zupackend, jedoch stets mit der nötigen Sensibilität. Nicht jede gute Orgel-CD kann man am Stück hören – diese schon. Das Klangbild SACD-Surround-Sound ist optimal, natürlich und kräftig. Cover und Booklet sind ansprechend gestaltet, letzteres mit lesenswerten, dreisprachigen Informationen zur Thematik, den eingespielten Werken, der Orgel und dem Organisten.
Eine rundum überzeugende Produktion des schwäbischen Orgellabels Organum Classics.
Vom Dunkel zum Licht
Musik für Posaune und Orgel. Es spielen Stefan Geiger, Soloposaunist im NDR-Sinfonieorchester Hamburg, und Josef Still. In einem größer besetzten Stück von Helmut Bornefeld kommen noch Ulrich Krupp, Chororgel, und Larissa Boie, Glocke, hinzu. Auf der CD sind allein vier Ersteinspielungen enthalten.
Enjott Schneider (geb. 1950)
Golgatha für Posaune und Orgel (11’ 06”)
Ersteinspielung
Olivier Messiaen (1908–1992)
Apparition de l’Eglise éternelle (7’ 58”)
Petr Eben (1929–2007)
Zwei Anrufungen für Posaune und Orgel (10’ 58”)
Olivier Messiaen
Offrande au Saint Sacrement (5’ 05”)
Helmut Bornefeld (1906–1990)
Appenzeller Kuhreihen mit Abendsegen
„Nun sich der Tag geendet hat“
für Posaune, eine Glocke, Positiv und Orgel (10’ 13”)
Ersteinspielung • Premiere recording
Olivier Messiaen
Le Banquet céleste (5’ 19”)
Simone Candotto (geb. 1969)
Gedanken für Posaune und Orgel (8’ 34”)
Ersteinspielung • Premiere recording
Olivier Messiaen
Prière du Christ montant vers son Père (4’ 59”)
Bruno Bjelinski (1909–1992)
Drei biblische Legenden für Posaune und Orgel (11’ 09”)
Ersteinspielung • Premiere recording
Total.........................................................................76’ 10”
Organum Musikproduktion
www.organum-classics.com
NAXOS 8.72907 Total Time: 77:40
Max Reger Works for Organ VOL 14
Josef Still, organist
Recording date: June 4+5, 2013
Location: Trier Cathedral, Germany
RMC Classical Music Inc. USA
Producer and engineer: Wolfgang Rübsam
1 Prelude in E Major op.56/1
2 Fugue E Major
3 Prelude in D Minor op. 56/2
4 Fugue in D Minor
5 Allein Gott in der Hoeh' sei Ehr! op. 67/1
6 Alles ist an Gottes Segen op. 67/2
7 Aus tiefer Not schrei ich zu dir op. 67/3
8 Aus meines Herzens Grunde op. 67/4
9 Christus, der ist mein Leben op. 67/5
10 Ein' feste Burg ist unser Gott op. 67/6
11 Dir, dir, Jehovah, will ich singen! op. 67/7
12 Erschienen ist der herrlich' Tag op. 67/8
13 Herr Jesu Christ, dich zu uns wend' op. 67/9
14 Es ist das Heil uns kommen her op. 67/10
15 Freu' dich sehr, o meine Seele op. 67/11
16 Gott des Himmels und der Erden op. 67/12
17 Herr, wie du willst, so schick's mit mir op. 67/13
18 Herzlich tut mich verlangen op. 67/14
19 Jauchz, Erd', und Himmel, jubile! op. 67/15
20 Prelude in G-Major op. 56/3
21 Fugue in G-Major
22 Prelude in C-Major op. 56/4
23 Fugue in C Major
24 Prelude in B Minor op. 56/5
25 Fugue in B Minor
Bachs Toccaten – Weltliteratur für Orgel
Von Johannes Adam
Es ist ein schillerndes Wort. Eines mit Aura. Eines, das Erwartungen weckt. Toccata – bei diesem Begriff schwingen Konnotationen mit: der (berechtigte) Wunsch nach Ereignis, Spektakulärem und Virtuosität. Etymologisch, also seiner Herkunft nach, geht der Terminus Toccata aufs italienische „toccare“ zurück, was schlagen und (be-)rühren meint. So sprach man denn früher zuweilen davon, dass die Organisten aufgrund einer nur schwer gängigen mechanischen Spieltraktur (= Verbindung zwischen Taste und Pfeife) ihre Orgel schlugen. Die frühesten Toccaten stammen aus dem 16. Jahrhundert und beziehen sich auf Musik für Laute oder Instrumentalensemble. Mehr und mehr erfolgte dann eine Verengung des Begriffs auf Musik für Tasteninstrumente. Hinzu kam der Aspekt des Improvisatorischen, etwa als ein fantasieartiges Vorspiel zu einem fugierten Satz. Und dabei blieb es. Die Geschichte der Toccata umfasst im Wesentlichen die Zeit vom Frühbarock eines Claudio Merulo und Girolamo Frescobaldi bis in unsere Tage. Die barocke Lichtgestalt eines Johann Sebastian Bach natürlich inklusive. Von Großmeister Bach liegen Toccaten für Cembalo vor und für Orgel – wobei diese Bezeichnung gerade bei den Orgelbeispielen jedoch nicht in allen Fällen authentisch sein dürfte. Auch von Präludien ist da die Rede. Gemeinsamkeit: Von keiner Bach’schen Orgeltoccata ist ein Autograf auf uns gekommen.
Bachs C-Dur-Toccata BWV 564, die womöglich für eine Orgelprobe geschaffen wurde, ist in ihrer Anlage dreiteilig. Gleich zu Beginn kultiviert der Komponist hier den Aspekt der Virtuosität. Keck, blitzartig, fast wie ein munteres Versteckspiel, hebt ein flinker Manualiter-Teil an, in dem Tonleiter-Elemente auffallen. Vor allem in Zweiunddreißigstel-Werten wird der Tonraum durchmessen, gleichsam abgesteckt. Auf Sechzehntel-Basis folgt ein großes, respektheischendes, flinke Füße erforderndes Pedalsolo mit Terzmotiv, Trillern, Triolen und Echoeffekten, ehe über einen Dominantseptakkord die Tonika und damit der Hauptteil erreicht wird. Ein Satz in Dialogstruktur und mit konzertanten Zügen. Eine klare, festliche, nach vorn strebende Musik, die den Hörer unschwer für sich gewinnt. Diese Sogkraft geht nicht zuletzt auch vom Pedal aus. Der zweite Satz, das „Adagio“ mit pochendem Achtel-Bass, nutzt das uralte und in der Musik vielfach erprobte Modell Melodie plus Begleitung. Seiner Faktur nach gibt es für diesen Satz in Bachs Orgelschaffen kaum eine Parallele. Eine womöglich italienisch beeinflusste Musik, die so tut, als wollte sich hier eine verzierte Solostimme (vielleicht eine Violine) über einem ausgesetzten Generalbass sehr expressiv vernehmen lassen. Eine beseelte, tiefgründige Musik, in die man sich versenken kann. Dazu meditativ und ruhig – und damit hilfreich und heilsam für Leute von heute. Von diesem a-Moll-„Adagio“ moduliert eine „Grave“-Strecke mit Vorhaltsbildungen nach C-Dur und leitet damit zur abschließenden vierstimmigen Fuge über. Zu einer schwungvollen Fuge im Sechsachteltakt mit Durchführungen und Zwischenspielen. Ein Satz, der klar, spielerisch und transparent ist und von dem viel Leichtigkeit ausgeht. Diese als Triptychon angelegte C-Dur-Toccata endet freilich überraschend: Statt Conclusio oder Überhöhung wählt Bach in der Fuge den Weg der Reduktion. Nach wenigen Orgelpunkt-Takten zeigen sich unverkennbar bewusst gesetzte Auflösungserscheinungen, ehe ein kurzer, wie hingeworfener C-Dur-Klang in Ich-habe-fertig-Manier den Schlusspunkt setzt. Da macht sich die Musik aus dem Staub. Das darf sie. Merke: Orgelmusik ist keine humorfreie Zone. Auch der oft so gestrenge Bach kann witzig sein – selbst dort, wo es um Orgel und Kirche geht. Keine Frage: In Sachen Technik und Ausdruck bleibt die C-Dur-Toccata ein überzeitlicher Prüfstein für ambitionierte Organisten.
Die sogenannte Dorische Toccata und Fuge BWV 538 trägt ihren Beinamen eher unberechtigt, ist ihre Tonart doch d-Moll und nicht die alte Kirchentonart. Womöglich dient der Beiname, den man bereits beim Bach-Biografen Philipp Spitta findet, unter anderem der Abgrenzung von der weit populäreren d-Moll-Toccata BWV 565. Von der Dorischen Toccata heißt es, dass Bach sie „bey der Probe der großen Orgel in Cassel“ im September 1732 gespielt habe. Gemeint ist das Instrument in der dortigen Martinskirche. Die (monothematische) Toccata, bei der, wer möchte, Bezüge zu anderen Autoren (André Raison, Pachelbel) entdecken kann, ist in ihrem Charakter dialogisch konzipiert. Die Angaben „Oberwerk“ und „Positiv“ stammen, wovon auszugehen ist, vom Komponisten höchstpersönlich. Der Kontrast zwischen Tutti und Solo wird hier zum Stilprinzip. Einflüsse der italienischen Konzertform sind feststellbar – man denke in diesem Zusammenhang an Bachs Übertragung des Vivaldi’schen d-Moll-Konzerts BWV 596. Die Toccata mit ihren rhetorischen Reminiszenzen ist gewichtig; man sollte sie daher keinesfalls zu schnell spielen. Die vierstimmige Alla-breve-Fuge ist kontrapunktisch ungemein dicht gefügt. Das Thema hat zwei Kontrasubjekte, und die Zwischenspiele sind kanonisch strukturiert. Kurz vor den akkordischen Finaltakten erscheint das Thema kanonisch in der Tonika. Aus der Dorischen Toccata nebst Fuge spricht Ernst. Und d-Moll war die Tonart, in der sich Bach offenkundig besonders gern kontrapunktisch verwirklichte – auch die späte, Fragment gebliebene „Kunst der Fuge“ steht ja in dieser Tonart. Wenngleich „aber ein gantzes Werck von lauter Fugen hat keinen Nachdruck, sondern ist eckelhafft“, wie der Hamburger Johann Mattheson (1681 bis 1764), der kenntnisreichste Musiktheoretiker seiner Zeit, in seinem Werk „Der Vollkommene Capellmeister“ kritisch anmerkte. Wie dem auch sei: Matthesons „Capellmeister“ erschien 1739, in dem Jahr, als Bach den der Orgel zugedachten Dritten Teil seiner Clavierübung vorlegte. Die „Kunst der Fuge“ indes war da noch nicht geschrieben. Unter Bachs Orgelwerken setzt die Dorische Toccata mit ihrer Fuge nicht dezidiert auf organistische Virtuosität und Tastenartistik. Dieses Werk ist eher ein intellektuelles Hörvergnügen, das sich mehr an den Kenner und Liebhaber als Adressaten richtet. Dass der Leipziger Thomaskantor es in Kassel bei einer Orgelprobe zum Besten gab, unterstreicht, dass er Kopf und Praxis zu verbinden wusste.
Bei der Choralfantasie „Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128 fällt die hohe Nummer und dies obendrein abseits der Orgelabteilung im Werkverzeichnis auf. In Wolfgang Schmieders Verzeichnis der Werke Bachs von 1950 waren lediglich die ersten fünf Takte bekannt. Im März 2008 hatten zwei mit Entdeckerglück gesegnete Musikwissenschaftler die ganze Choralfantasie in Neuerwerbungen der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle gefunden. Im Nachlass des Thomaskantors und Bach-Herausgebers Wilhelm Rust tauchte eine komplette Abschrift aus dem Jahr 1877 auf, von der aus sich die Geschichte des Werks lückenlos bis in die Nähe Bachs rekonstruieren lässt. Die Qualität des Fundes gibt zu keinerlei Zweifel an der Autorschaft Anlass. Es handelt sich um eine Kreation aus Bachs Frühzeit – zwischen 1708 und 1710 könnte sie entstanden sein. Um die Jahreswende 1705/06 hatte der aufstrebende, lernbegierige Bach von Arnstadt aus ja die mehrmonatige Reise zu Dietrich Buxtehude nach Lübeck unternommen. Und so lässt sich der Einfluss der norddeutschen Kunst der Choralbehandlung denn auch bei diesem Werk feststellen. In einem Genre wohlgemerkt, das der spätere Bach dann kaum mehr gepflegt hat, das er aber, wie wir durch das überlieferte Lob aus dem Mund des greisen Johann Adam Reincken wissen, der den Kollegen live als Improvisator gehört hatte, gleichwohl souverän beherrschte. Der Cantus firmus, die Choralmelodie (Wittenberg, 1529), erscheint in verschiedenen Stimmlagen, zunächst im Bass. Ein einführender Choralsatz, wie wir es aus Bachs Choralpartiten („Sei gegrüßet, Jesu gütig“ et cetera) kennen, ist nicht vorangestellt. Bach spaltet den Choral (Text nach Psalm 124) auf. Man nimmt Echoeffekte wahr. Ein improvisatorischer, spielerischer Grundzug ist dieser die Orgel auch in ihren Teilwerken nutzenden luziden Musik bis in die abrundende Coda hinein eigen. Bislang kannte man von Bach in dieser alten norddeutschen Tradition lediglich „Christ lag in Todesbanden“ BWV 718. Jetzt gibt es eine zweite Choralfantasie.
Wir bleiben noch eine Weile in Norddeutschland und beim frühen Bach. Eindeutig in diese Richtung weist nämlich die E-Dur-Toccata BWV 566. Jenes zwischen 1706 und 1708 entstandene, (aus spielpraktischen Gründen?) auch in einer C-Dur-Version existierende Werk, das in den Quellen häufiger als Präludium bezeichnet wird. Die E-Dur-Fassung war, wie man heute annimmt, zuerst da. Und somit eine Tonart, die bis auf wenige Ausnahmen (Buxtehude, Vincent Lübeck) in der barocken Orgelmusik eher selten ist. In seiner E-Dur-Toccata wandelt Bach unverkennbar auf den Spuren seiner norddeutschen Kollegen, von denen hier vor allem Buxtehude und dessen Schüler Nicolaus Bruhns zu nennen wären. Das Werk ist vierteilig. Den Kern bilden zwei Fugen, wobei sich das Thema der zweiten Fuge als Variation des Themas der ersten klassifizieren ließe. Mit seinen Tonrepetitionen verweist Thema I unmittelbar auf Buxtehude. Den Fugen geht ein einleitendes freies, den Stylus phantasticus fast stürmisch bemühendes Präludium voraus; zudem gibt es zwischen den Fugen ein Intermezzo. Bach lebt in diesem Werk nach Herzenslust am Muster der norddeutschen Orgeltoccata seine künstlerische Freiheit aus. In einem Werk, das Feuer hat. Wenn er auch satztechnisch noch nicht die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht hat, so ist dies sicher ein Stück weit den jungen Jahren des Autors geschuldet. Ohne Choral-Anleihe rezipiert Bach hier Vokabular, Grammatik und Syntax der norddeutschen Orgelkunst und formt daraus Eigenes. Man erlebt, dass bereits der junge Bach wie ein Schwamm die Stile seiner Zeit in sich aufsaugt und sie in diesem Zuge individualisiert. Im Ranking der Bach’schen Orgeltoccaten ist das E-Dur-Werk dasjenige, das am seltensten zum Vortrag kommt.
Die F-Dur-Toccata BWV 540 im Dreiachteltakt beginnt mit einer Orgelpunkt-Faktur, wie man sie etwa vom Nürnberger Johann Pachelbel kennt. Ein behänder Oberstimmenkanon zunächst auf der Pedalbasis F, danach auf C. Zweimal findet die Sechzehntelbewegung des Kanons in einem Pedalsolo ihre Fortsetzung. Daran schließt sich ein gewaltiger Ritornellsatz an, der Festlichkeit und Dramatik verbindet. Eine Klangrede, ja fast ein Klangrausch in F-Dur. Auch Bach wusste mithin schon, dass die Orgel in dieser Tonart besonders vorteilhaft klingt – und eben nicht erst Charles-Marie Widor, der dann ja mit der berühmten Finaltoccata in seiner 1879 veröffentlichten fünften Sinfonie den für die spätere französische Orgelkunst bezeichnenden Typus der motorischen Toccata erfand. Bachs energiegeladene F-Dur-Toccata erweckt den Anschein, als könnte ihr Schöpfer in der von ihm entworfenen Klangwelt gar nicht genug schwelgen. Robert Schumanns Kommentar von den „himmlischen Längen“, die er in Franz Schuberts großer C-Dur-Sinfonie auszumachen glaubte, lässt sich mühelos auf diese Toccata übertragen. Die Alla-breve-Fuge ist eine Doppelfuge. Das erste Thema in langen Notenwerten, gleichsam im stile antico, das zweite flotter. Beide Themen werden schließlich kombiniert. Ein Formplan, dessen sich, wenn man so will, in seiner anno 1900 entstandenen B-A-C-H-Fuge op. 46 bis in die Themenbildung hinein zumindest latent auch der Bach-Verehrer Max Reger befleißigt. Bachs Toccata und Fuge F-Dur: Das ist große, berührende Orgelmusik, die für sich selber spricht.
Das mit Abstand populärste Bach-Opus und generell gewiss das bekannteste Orgelstück ist die Toccata d-Moll BWV 565. Die Bezeichnung „d-Moll-Toccata“ ist mehr als nur ein Titel, eröffnet sogar mythische Dimensionen, gilt geradezu als Synonym für Bach, ja für Orgelmusik schlechthin – und zwar primär bei Leuten, die in musikalischen Dingen ansonsten nicht sehr firm sind. Ihrer Häufigkeit verdankt diese Toccata den tendenziösen Beinamen „Epidemische“. Sie wird gespielt und strapaziert. Und sie wurde bearbeitet: Der frühe Reger übertrug sie aufs Klavier (wie auch die E-Dur-Toccata), Leopold Stokowski weitete sie auf orchestrale Breitwand-Dimensionen, und der Münchner (Film-)Komponist („Schlafes Bruder“) Enjott Schneider schuf eine von ihm selbst 1986 in Freiburg uraufgeführte Fassung, bei der sie rückwärts zu spielen ist (was der Name „Ataccot“ bereits andeutet). Zudem musste sie auch schon eine Tongeschlechtsumwandlung über sich ergehen lassen, sprich: den Vortrag in Dur. Hinzu kommen grundsätzliche Fragen in puncto Überlieferung: Stammt die d-Moll-Toccata überhaupt von Bach? Wenn ja: Ist es ein Originalwerk für Orgel oder die Bearbeitung eines Werks für Violine solo? Die Form des Stücks verknüpft die drei Teile Vorspiel, Fuge und Nachspiel. Der Autor hat Sinn für Dramaturgie, setzt auf Effekte und Kontraste, die er mit vergleichsweise einfachen Mitteln erreicht. Etwa zu Beginn mit Pausen, vermindertem Septakkord und raschen Triolen in Oktaven. Der zentrale Fugenteil in Sechzehntelbewegung ist in seiner Struktur ebenfalls eher einfach gestrickt. Am Schluss kehren toccatische Elemente wieder. Wer mag, kann norddeutsche Einflüsse ausmachen. Formal ließe sich auch der Lüneburger Georg Böhm anführen. Dem markanten, düsteren Finalakkord wird die erlösende Aufhellung nach Dur verweigert. Ob nun Bach der Komponist war oder nicht, ob es sich um eine Transkription oder ein Original handelt: Mit letzter Sicherheit lässt sich all das nicht beantworten. Spekulation ist müßig. Man tut gut daran, sich an die Fakten zu halten. Und das heißt im Klartext: Toccata und Fuge d-Moll sind, besonders wenn sie mit Esprit dargeboten werden, ein packendes Stück Musik. Im Konzert der fünf Bach’schen Orgeltoccaten machen sie keine schlechte Figur. Und dass sie beliebt sind: Wer könnte es ihnen verdenken? Eines ist jedenfalls klar: Bachs Toccaten zeigen stilistische Vielfalt. Und sie sind Weltliteratur für Orgel.
Bóg sie rodzi, moc truchleje - Gott wird geboren; Mächtige erstarren vor Angst
Orgelmusik zu Weihnachten, gespielt von Josef Still an der Beckerath-Orgel der Lebensbaumkirche in Manderscheid/Eifel. Programm:
Feliks Raczkowski (1906 – 1989)
Suite Koled / Weihnachtlieder-Suite
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Choralvorspiel Wachet auf, ruft uns die Stimme
Aus den Schübler-Chorälen
Piotr Drusinski (um 1550 – 1611)
Veni Redemptor gentium
Resonet in laudibus
aus der Tabulatur des Zisterzienserklosters Oliwa bei Danzig
Johann Sebastian Bach
Pastorale F-Dur BWV 590
Jan Janca (*1933)
Meditation Maria durch ein’ Dornwald ging
Johann Sebastian Bach
Aus dem Orgelbüchlein
Nun komm der Heiden Heiland BWV 599
In dulci jubilo BWV 608
Vom Himmel kam der Engel Schar BWV 607
Mieczyslaw Surzynski (1866—1924)
Koleda Gdy sie Chrystus rodzi op.36
aus: Pastoralki. Preludia na organy op. 63
Max Reger (1873 – 1916)
Weihnachten op.145/3
Mieczyslaw Surzynski
Choralvorspiel zum polnischen Weihnachtslied
Bóg sie rodzi, moc truchleje (Gott wird geboren; Mächtige erstarren vor Angst)
Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933)
Adeste fideles aus Cathedral Windows op. 106
Feliks Nowowiejski (1877 – 1946)
Weihnacht in der uralten Marienkirche zu Krakau op. 31 Nr. 3
Erschienen 2016 bei OehmsClassics, München
Sigfrid Karg-Elert
1877-1933
Marche triomphale „Nun danket alle Gott!“ op. 65
für Trompete und Orgel
Johann Pachelbel
1653-1706
„Aria Sebaldina” aus „Hexachordum Apollinis”
Johann Sebastian Bach
1685 – 1750
“Air“ aus der dritten Orchestersuite
(für Orgel bearbeitet von Sigfrid Karg-Elert)
Johann Ludwig Krebs
1713-1780
Fantasia sopra Freu dich sehr, o meine Seele
Ludwig van Beethoven
1770-1827
Adagio aus „Drei Stücke für ein mechanisches Orgelwerk“
Louis James Alfred Lefebure-Wely
1817-1869
Bolero de Concert
Tomaso Albinoni
1750-1671
Adagio g-Moll
für Trompete und Orgel
Johann Sebastian Bach
1685-1750
Toccata und Fuge d-Moll BWV 565
César Franck
1822-1890
Andantino g-Moll (1856)
Johann Sebastian Bach
1685-1750
Nun danket alle Gott, aus Kantate 79 für Trompete und Orgel
(Bearbeitung von Thomas Hammes)
Thomas Hammes, Trompete
Josef Still, Orgel
Hier eine Besprechung in der Badischen Zeitung, Freiburg, vom 17.2.2022. Wir bedanken uns für die Erlaubnis zur Publikation!
Musik aus süddeutschen Domen und Klöstern
Barockpredigten
Geistliches Löwenbrüllen
mit Madrigalchor Klaus Fischbach
Doppel-CD „Orgeln der Stadt Trier“
Organisten: Joachim Reidenbach, Alfred Müller-Kranich, Heinz Wunderlich, Ekkehard Schneck, Burkhard Pütz, Reinhold Neisius, Josef Still und Matthias Balzer.
Josef Still spielt an der Treviris-Orgel (Boslet), in Irsch (Pasterwitz), in Ehrang (Heckmann) und im Trierer Dom (Kodaly: Tänze aus Galanta)
Erschienen bei OnlineRecords, Monschau, 1998
Basso continuo am Cembalo:
Johann Friedrich Doles: Doppelchörige Motetten
Deutsche Bachvokalisten; Ltg.: Prof. G. Weinberger; Coproduktion Christophorus – Bayerischer Rundfunk
Chor-CD mit Orgelstücken:
Mit Jesus Christus auf dem Weg
Geistliche Musik zur Heilig-Rock-Wallfahrt 1996
Trierer Domchor; Ltg. Domkapellmeister Klaus Fischbach
Orgelmusik: Reger: Toccata aus op. 59; Krebs: Fantasia a gusto italiano; Dupré: Sortie
Aufgenommen im Trierer Dom
Saarländischer Rundfunk 1995
Chorbegleitung:
Singt auf, lobt Gott
Geistliche Lieder des Barockdichters Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635)
Trierer Domchor; Madrigalchor Klaus Fischbach
Ltg. Domkapellmeister Klaus Fischbach
Chor- und Bläser-CD
Festliche Musik in der Ludwigskirche Saarbrücken
Madrigalchor Klaus Fischbach,
Blechbläser des Saarländischen Staatstheaters
Ltg. Klaus Fischbach
2009
Chor-CD mit Orgelstücken:
Hermann Schroeder: Chor- und Orgelmusik
Chor-CD mit Orgelstücken:Trierer Domchor; Ltg. Domkapellmeister Klaus Fischbach
Aufgenommen im Trierer Dom
Orgelmusik: Variationen über den tonus peregrinus
Coproduktion PREZIOSO – Saarländischer Rundfunk 1998
Chorbegleitung:
... und was vom Geist geboren wird
Werke für Chor und Orgel von Bach, Schütz, Brahms, Pepping, Dupré,
Duruflé, Stanford und Holst. Trierer Bachchor; Leitung Martin Bambauer
Erschienen bei GCG records, 2002
Orgelkalender Benno-Verlag mit CD
Trier: Henri Jules Joseph Nibelle (1883-1966): Carillon Orléanais
Chorbegleitung:
Komm her, freu dich mit uns
Singende Gemeinde im Sonntags- und Festtagsgottesdienst
Leitung: Klaus Fischbach
Guma-Doppel-CD
Chorbegleitung:
500 Jahre Heilig-Rock-Wallfahrt Trier
Pilgerhymnen und Chorgesänge
Klaus Fischbach: Mindelheimer Stephanus-Messe
Leitung: Klaus Fischbach
Guma-Doppel-CD 2012
Chorbegleitung:
Klaus Fischbach: Trierisch St. Piddersmess
Guma-CD 2015
Und hier, als "Bonusmaterial" noch eine alte Musikdatei. Susanne Erding hatte eine Oper "Der Schneemann" nach dem Libretto von Walter Jens komponiert. Uraufgeführt wurde das Werk 1991 am Ulmer Theater. In zwei Szenen war Orgel dabei, die in den Aufführungen per Lautsprecher eingespielt wurde. Hier die Musik zum 14. Bild. Aufgenommen habe ich sie an der Orgel der evang. Petruskirche in Neu-Ulm. Josef Still